KARLSRUHE, 18. Februar. Die Intensivtierhaltung von Hennen in sogenannten Legebatterien stellt keinen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte am Mittwoch die Freisprüche zweier Tierhalter aus Hessen. In ihrer Urteilsbegründung hoben die Bundesrichter auf die Meinungsverschiedenheiten der Wissenschaftler zu diesem Thema ab. (AZ: 2 StR 159/86).
Die beiden Inhaber - es handelt sich um Vater und Sohn - waren bereits in den 70er Jahren von Tierschützern angezeigt worden. Sie hielten zwischen 40 000 und 60 000 Hühner in Drahtkäfigen, wobei einem Huhn durchschnittlich 500 Quadratzentimeter (etwa 23 x 23 Zentimeter) zur Verfügung standen.
Die Inhaber wurden vor dem Darmstädter Landgericht angeklagt. In dem Prozeß kamen vier Gutachter zu Wort, die zwei verschiedene methodische Ansätze vertraten. Zwei Sachverständige gingen davon aus, daß sich der Mensch in das Tier einfühlen könne; sie kamen zu dem Ergebnis, daß den Hennen in der Intensivtierhaltung Leid zugefügt würde. Die beiden anderen Sachverständigen vertraten dagegen den Ansatz, nur bei objektiv feststellbaren Symptomen könne von Leidenszuständen gesprochen werden. Das Landgericht sprach die Angeklagten im April 1985 frei. Zwar bejahten die Richter, daß die Tiere unter der Intensivhaltung leiden, nicht jedoch "erheblich", wie es das Tierschutzgesetz für ein Verbot voraussetzt. Für die Erheblichkeit müßten, so die Darmstädter Richter, objektive Symptome festgestellt werden. Mit dieser Begründung war das Gericht beiden Gutachtergruppen ein Stück weit gefolgt. Die hiergegen eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft blieb jetzt erfolglos.
Der 2. Strafsenat am BGH befand, daß das Gericht angesichts der Meinungsvielfalt der Wissenschaftler auf die beiden zurückgreifen durfte, die für die Angeklagten günstiger waren. Da deren Ansicht nicht weniger gesichert sei, als die der anderen Richtung, war das, so die Richter, rechtlich zulässig.
Frankfurter Rundschau, 19.02.1987