Heinz Böer
Die Idee
Am Ende der Klasse 5 habe ich die Flächen- und Volumenberechnungen abgeschlossen mit einem kleinen Projekt zur Käfighaltung von Hennen in der BRD (und EU).
Legehennen bis 2 kg Gewicht stehen 450cm² Käfigfläche bei einer Höhe von 40 cm zu. Die Fläche wurde in der Reihe zu Flächenberechnungen untersucht - sie ist kleiner als ein DIN-A4-Blatt! Aus dem Protest der Schülerlnnen entstand die Idee zu einer Aktion:
Die Schülerlnnen wollten für sich Käfige bauen, die denen der Hennen entsprechen, und sich selbst in einer Informations-Aktion hineinsetzen, um die tierquälerische Enge zu demonstrieren.
Am Ende der folgenden Volumenberechnungs-Reihe haben wir die Abmessungen der Hühnerkäfige ,hochgerechnet‘ auf die bis zu 40kg schweren Schülerlnnen der Klasse 5. Da sie etwa 20mal schwerer als die Hennen sind, sollte ihnen auch das 20fache Volumen zur Verfügung stehen.
Der Faktor
Nach einigen Rechnungen vom Typ ,,Wie ändert sich das Volumen eines Quaders, wenn alle Seiten verdoppelt werden" konnte die umgekehrte Frage überlegt werden: Um welchen (gleichen!) Faktor muss man Länge, Breite und Höhe der Hennenkäfige vergrößern, um das 20fache Volumen zu erhalten?
Der Längenfaktor 2 ergibt eine Volumenvergrößerung auf das 8-fache, der Längenfaktor 3 ergibt das 27-fache Volumen - das war schnell klar. Irgendwo zwischen 2 und 3 müsste also der gesuchte Faktor liegen. 2,5 wurde noch probiert - ergibt mit 15,625 einen zu kleinen Volumenfaktor. Der Rest dann arbeitsteilig: 2,7 stellte sich als bester Längenfaktor heraus, um den Volumenfaktor 20 zu erhalten. Die Komma-Rechnung wurde jeweils analog dem Rückgriff auf kleinere Einheiten bei der Längen-, Flächen- und Volumenberechnung erläutert.
Die Käfige für 6 SchülerInnen
Hennen sind nicht in Einzelkäfigen untergebracht. Deshalb wollten wir auch für die SchülerInnen ,Gruppen‘käfige bauen. Um alle 30 SchülerInnen der Klasse 5 unterzubringen, passen z.B. gut: 5 Käfige für jeweils 6 Insassen. Bei Unterbringung mehrerer Hennen - und also mehrerer SchülerInnen - bleibt die Käfighöhe jeweils gleich, nur die Grundfläche wird entsprechend der Anzahl vergrößert:
Für eine/n SchülerIn standen - nach der Rechnung von oben 450 cm² x 2,7 x 2,7~3280 cm² zur Verfügung, für 6 Schülerinnen also rund 19680 cm².
Die Abmessungen
Die Grundfläche sollte quadratisch sein, damit beim Zusammenbau nicht auf Länge oder Breite geachtet werden musste. - Irgendwo zwischen 1 m und 2 m musste das Ergebnis liegen. Nach systematischer, arbeitsteiliger Suche ergab sich: rund 1,40m ist die passende Quadrat-Seitenlänge, um auf eine Fläche von 19680 cm² zu kommen. Die Höhe sollte wie beim Einzelkäfig sein: 40 cm x 2,7 = 108 cm. Damit waren die Maße des ,Hennen‘ -Käfigs für 6 SchülerInnen berechnet: 1,40 m x 1,40 m x 1,10 m.
Zur Probe (nach so viel Rumprobiererei) haben wir die Volumina von Hennen- und SchülerInnen-Käfig berechnet: Die Henne hat 18 dm³ Lebensraum, die Schülerlnnenkäfige waren mit 2156 dm³ rund 20mal und 6mal so groß.
Das Informationsblatt
Im Vorfeld der öffentlichen Aktion haben wir ein Faltblatt erstellt. Darin waren die beiden ersten Paragraphen des Tierschutzgesetzes abgedruckt und - dazu überhaupt nicht passend - die Käfigmaße aus der ,Verordnung zum Schutz von Legehennen bei Käfighaltung‘ des Bundeslandwirtschaftsministers. Die Verordnung schien uns allerdings keineswegs dem Schutz der Legehennen zu dienen, sondern sie erlaubt nur die Tierquälerei der Käfighaltung. Dagegen wurde unsere Aktion vorgestellt.
Das Blatt warb für den Kauf von Eiern aus Freilandhaltung trotz höherer Kosten, für den Protest bei Bundestagsabgeordneten und Landwirtschaftsminister und für das Engagement in Tierschutzvereinen gegen Käfighaltung und für Ökologische Tierhaltung. Zum Schluss enthielt das Faltblatt eine Information über die Prüfbarkeit und Prüfung von ,Käfig‘-Eiern, die als Öko-Eier verkauft werden.
Das Informations-Faltblatt wurde an der Schule in einer Auflage gedruckt, die für alle SchülerInnen reichte.
Der Bau
Die 5 Käfige sollten in einer Reihe nebeneinander gebaut werden, um den Standardbetrieb einer Massentierhaltung zu zeigen. Sämtliche Kanten waren Dachlatten, die ich vorher gekauft, auf die richtige Länge gesägt und für die Verschraubung vorgebohrt hatte. Die 6 Seitenwände (2 Außen- und 4 Innenwände) von 1,40 m x 1,10 m habe ich schon zu Hause verschraubt und mit Draht versehen auf dem Autodach-Gepäckträger mitgebracht.
Als Projekt‘tag‘ hatte ich die 3. bis 6. Stunde beantragt und erhalten. In der 3. und 4. Schulstunde haben wir gemeinsam die fertigen Seitenwände jeweils durch 4 Querlatten von 1,40 m verbunden. Die Vorder- und Rückfront sowie ,das Dach‘ der 5 Käfige mussten noch mit Draht, den ich mitgebracht hatte, verschlossen werden. Der wurde vorher ausgebreitet, passend gerichtet und abgekniffen, angelegt und festgetackert.
Mein und ein weiterer Aku-Schrauber, den ein Schüler mitbrachte, reichte für die Schraub-Arbeiten. Mein Tacker und ein weiterer aus den Kunst-Werkzeugen unserer Schule reichten aus für die Draht-Befestigungen.
Unter den nach unten offenen Käfig haben wir eine Folie (die ich noch aus einer früheren Aktion übrig hatte) gelegt, damit sich die SchülerInnen nicht völlig auf dem Schulhofboden verdrecken und sich nicht die Knie aufschürfen.
Die Aktion
Während des Zusammenbaus wurden die Info-Faltblätter in allen Klassen und Kursen verteilt. Den Text, der bei der Verteilung als Erläuterung und als Einladung zur 2. großen Pause gesagt werden sollte, haben die VerteilerInnen vorher noch geübt. Der Direktor und das Lehrerlnnenzimmer erforderten noch einmal Mut.
Kurz vor der Pause haben wir die Käfigreihe hochgehoben und alle 30 SchülerInnen sind ("von unten") in ,ihren‘ Käfig gekrochen. Ich habe einen Interviewer gespielt und mir mehrfach Erklärungen für die Aktion samt Berechnungsüberlegungen berichten lassen. Neugierig kamen dann die SchülerInnen der anderen Klassen in der 2. großen Pause auf den Hof und fragten, was das denn alles solle. Die 5er-SchülerInnen waren gefordert. Sie wollten und konnten viel erklären und ihren Protest deutlich machen.
Durch eine Lücke im oberen Zaundraht konnten auch noch restliche Faltblätter an Interessierte verteilt werden.
Die Öffentlichkeit
Uns ging es darum, Öffentlichkeit für die tierquälerische Hennenhaltung herzustellen, damit sich etwas ändert beim privaten Konsum und durch politische Einflussnahme. Alle SchülerInnen des Ricarda-Huch-Gymnasiums und (hoffentlich) deren Eltern haben wir erreicht, ebenso alle LehrerInnen. Einige Eltern waren auch auf den Schulhof gekommen, um sich das ganze Spektakel anzusehen. Die Presse wurde vorher informiert. Der lokale Radiosender und eine Zeitung hatten im Vorfeld über die Aktion berichtet und auf den Schulhof eingeladen. Berichtet haben alle drei Zeitungen mit Gelsenkirchener Lokalteil und der Radiosender aufgrund der Befragungen von SchülerInnen.
Die weitere Planung
Nach der Pausen-Aktion wurde alles wieder abgebaut, auseinandergeschraubt, zusammengelegt bzw. -gerollt und in meinem Auto verstaut. In einer Abschlussbesprechung sind wir die Erlebnisse während der Aktion und die Reaktionen noch einmal durchgegangen. Nach den Ferien (der Aktionstag lag 2 Tage vor den Sommerferien) wollten wir die im Faltblatt vorgeschlagenen Aktivitäten auch selber ausführen: Politiker anschreiben und Vereine informieren.
Fächerübergreifende Zusammenarbeit
Obwohl die Haustiere im Fach Biologie schon früher in der Klasse 5..behandelt werden, konnte ich hier mit der Biologie-Kollegin zusammenarbeiten. Sie hat das Thema noch einmal aufgegriffen und z.B. das Tierproträt aus dem Globus-Heft (s. Literatur), das ich als Hintergrundinformation verteilt hatte, mit den SchülerInnen durchgesprochen.
Das Thema in Klasse 10 und 11
Als das Projekt in der Klasse 5 anstand, habe ich die SchülerInnen einer Klasse 10 und zweier Mathematik-Grundkurse in der Jahrgangstufe 11 auch gleich berechnen lassen, welche Abmessungen denn ein Käfig für 6 SchülerInnen haben müsse, wenn er denen der Hennenhaltung entsprechen soll. Dritte Wurzel aus 20 (für den Längenfaktor) und Wurzel aus der Gesamtfläche (für den quadratischen Grundriss) passen gut in den Mathematikunterricht der Klassen 10/11.
Das eigentlich Schwere aber war die Mathematisierung der Fragestellung aus den angegebenen Daten für Hennenkäfige und für die Gewichte. Das war auch anspruchsvoll für die älteren SchülerInnen.
Die Käfigaktion kann ich mir auch gut mit solchen SchülerInnen vorstellen. Mit ihnen wären aufgrund ihres Gewichtes aber größere Käfige zu bauen.
Literatur
Klaus Drawer, Tierschutz in Deutschland, Essen 1986
Kerrin Hintz, Das Huhn: Brutschrank, Käfig, Suppentopf, in: globus 4-5/97
Informationen zur Hennenhaltung haben wir bekommen vom und unseren Protest werden wir schicken an den Landwirtschaftsminister, Postfach 140270, 53107 Bonn
Genauere Informationen können angefordert werden beim Mued e.V., Bahnhofstr. 27, 48301 Appelhülsen, Tel. 02509/606, Fax 02509/996516
Protest gegen Käfighaltung
Nicht wie ein Hahn im Korb, sondern wie Hennen in Legebatterien fühlten sich gestern die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5a des Richarda-Huch-Gymnasiums. Um zu verdeutlichen, wie wenig Platz die Tiere in ihren Käfigen haben, berechneten die Pennäler im Mathematikunterricht, wie groß ein entsprechender Käfig für den Menschen aussehen würde. Diese Käfige wurden anschließend geplant und aufgebaut. Während der 2. großen pause setzte sich die 5a hinein. Damit demonstrierte sie gegen die Käfighaltung von Hennen, denen lediglich eine Fläche von weniger als einer DIN-A4-Seite zur Verfügung stehe.WAZ, 01.07.1997
Gegen Käfighaltung von Hennen richtet sich eine Aktion von Schülerinnen und Schülern der Klasse 5a des Ricarda-Huch-Gymnasiums. Die jungen Menschen hatten während des Mathematikunterrichts ausgerechnet, dass die Fläche von 450 cm² , die den Hennen in der Käfighaltung zusteht, kleiner ist als ein DIN-A-4-Blatt. Die über diese Tierquälerei äußerst erbosten Kinder wollten deshalb zeigen, wie groß die Fläche tatsächlich ist. Deshalb haben sie die Fläche für die Größe des Menschen umgerechnet und einen entsprechenden Käfig gebaut. Der Käfig mit den Kindern darin war auf dem Schulhof zu sehen.
Ruhrnachrichten/Buersche Zeitung – Lokalteil, 01.07.1997